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Künstliche Intelligenz: Ein Gedankenaustausch

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Heutige Anwendungen und Vision zukünftiger Entwicklungen von KI

Im Interview beleuchten die Branchenexperten Samuel Thomas Stähle, CEO von PowerBrain.Shop®, und Ronald Sieber, CEO von SYS TEC electronic AG, die aktuellen Trends und Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz.

Wie haben sich die Entwicklung, Architektur und Fähigkeiten von künstlich intelligenter Software – der umgangssprachlichen „künstlichen Intelligenz“ – aus Ihrer Sicht in den letzten Jahrzehnten entwickelt?

Sieber: In den vergangenen Jahren hat die Industrie und so auch unser Haus signifikante Fortschritte in der Entwicklung kleinster Rechnerarchitekturen und Embedded Systeme gemacht. So konnten wir deren Robustheit erhöhen und ihre Preise stetig senken. Das liegt im Wesentlichen an der immer höheren Integrationsdichte moderner Bauelemente. Letztendlich hat das dazu geführt, dass heutige Industrial Edge Devices über ein Vielfaches der Rechenleistung verfügen, die vor rund 50 Jahren den Apollo-Raumschiffen zur Verfügung stand, mit denen damals Menschen von der Erde zum Mond und wohlbehalten wieder zurückgeflogen sind. Aktuelle Edge Controller sind mittlerweile so leistungsfähig, dass wir moderne KI-Software unmittelbar auf ihnen laufen lassen können.

Stähle: Aus Sicht der Informatik sind Algorithmik und Datenstrukturen der KI seit ca. 70 Jahren in der Erforschung und Entwicklung begriffen – und dieser Prozess ist längst nicht abgeschlossen. Er wird vermutlich auch niemals abgeschlossen werden, sondern sich stetig weiterentwickeln – mit einem kontinuierlichen Trend zur Standardisierung und Vereinfachung in der Anwendbarkeit.

Die ersten KI-Algorithmen programmierte ich selbst vor mehr als 20 Jahren in den 1990er Jahren. Wir setzten sie zur optischen Texterkennung zur Druckschriftqualitätsbewertung auf gekrümmten Oberflächen in Deutschland ein. Dabei nutzten wir teure und große Spezialcomputer, sehr teure digitale Zeilenkameras und Optik sowie von uns selbst geschriebene Software. An modularen Zukauf von KI als Produkt oder Service war damals nicht zu denken.

Heute hingegen gibt es sehr viel preiswertere und miniaturisierte Computer samt Spezialchipsätzen für KI-Datenverarbeitung. KI als Software ist mittlerweile in Industriequalität auf dem freien Markt erhältlich, entweder als Cloud Service oder zum Einsatz direkt im Edge, wie beispielweise unsere Edge AI PowerBrain™.

Das revolutionierte natürlich den Einsatz von KI und folgt in seiner Logik letztlich der historischen Marktbeobachtung: Eine neue Qualität wird von einer neuen Quantität abgelöst, welche wiederum – iterativ – von einer neuen Qualität und diese wiederum von einer neuen Quantität abgelöst werden wird. Über das letzte Vierteljahrhundert ließ sich beobachten, dass dieser Kreislauf als Entwicklungsparadigma auch KI einschließt.

Wie ist ihre Wahrnehmung aus dem Markt – wie steht es um die Kundenakzeptanz und Projektanwendungen von KI im Jahre 2021?

Sieber: Unser Haus fertigt seit Jahren stetig mehr Embedded Systeme mit KI-Unterstützung bspw. mittels i.MX 7 Prozessoren oder NVIDIA® Chipsätzen und großer Speicherdimensionierung im Kundenauftrag. Daher würden wir von einer stetig wachsenden Nachfrage sprechen – vorrangig aus den Marktsegmenten Industrie 4.0, Mobility und Infrastrukturmanagement.

Im Bereich Industrie 4.0 interessieren sich die Anwender zunehmend dafür, wem sie ihre Daten anvertrauen und was mit ihren Daten passiert. Paradigmen wie Datensouveränität und Datensparsamkeit werden immer wichtiger. Hier bieten unsere Edge Controller den großen Vorteil, dass die Geräte bereits über so viel Rechenleistung verfügen, dass sich damit KI-Projekte auch lokal direkt vor Ort realisieren lassen. In die Cloud werden dann meist nur noch Statusinformationen oder Fehlermeldungen übertragen, während die oftmals brisanten Sensor-Messwerte den lokalen Edge Controller selber nicht mehr verlassen.

Ein ähnliches Anwendungsbild ergibt sich auch in den Segmenten Mobility und Infrastrukturmanagement. Neben dem Schutz sensibler Daten, die oftmals auch einen direkten Bezug zu einzelnen Personen haben können, setzt man hier gezielt auf Edge Computing, um unabhängig von schwankenden Internet-Anbindungen zu sein. So arbeitet das Edge Controller basierte KI-System überwiegend autark und kann bei Bedarf für zeitlich unkritische Aktionen auf ein Cloud-basiertes Backend zurückgreifen.

Unsere Referenz: Edge AI dank NVIDIA® Jetson Nano™ 

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Projektarbeit im Bereich KI zwischen dem Beginn Ihrer Karriere und heute verändert?

Stähle: Im zurück liegenden Vierteljahrhundert hat sich – natürlich – technologisch sehr viel weiterentwickelt.

Hardware-seitig sind mittlerweile deutlich größere Rechenkapazitäten zu geringeren Preisen verfügbar. Die moderne Hardware in Industriequalität besitzt leistungsfähige Prozessarchitekturen und hohe Datenspeicherkapazitäten in den Endgeräten sowie der Sensorik.

Software-seitig sind zahlreiche Programmiersprachen sowie Softwareentwicklungswerkzeuge auf den Markt gekommen, welche dem Entwickler der künstlichen Intelligenz das Leben deutlich leichter machen und ihre Effizienz steigern. Auch für die Analyse und Simulation von Trainingsdaten sind inzwischen zahlreiche Werkzeuge zur Effizienzsteigerung für Data Scientists verfügbar.

Unser PowerBrain.Shop® Team hat ebenfalls einen Teil zur Innovation der KI-Entwicklung beitragen können. Wir haben KI beispielsweise für industrielle Standardanwendungsfälle in Produkte und Software Services überführt, die in Industriequalität erworben und binnen Minuten als AI PowerBrains™ im Projekt- und Lösungsgeschäft eingesetzt werden können. Die Implementierung erfolgt zumeist von Integratoren oder Herstellern wie der SYS TEC electronic AG. Damit wurde im Bereich „ease of use“ also ein großer Schritt nach vorn gemacht und damit der Markteintritt für viele kleine und mittelständische Integratoren und Hersteller erleichtert.

Einen ernstzunehmenden „Megatrend“ den wir in den letzten zwei Jahrzehnten haben kommen und langsam wieder gehen sehen, ist das von Rechenzentren, Herstellern und -betreibern sowie staatlichen Akteuren vorangetriebene Narrativ der Cloud AI. Es galt die Annahme, dass KI stets riesige Rechnerfarmen (AKA Cloud) benötige.

Heutzutage verschiebt sich diese Perspektive spürbar, da die Rechenkapazitäten und Sensordatenverarbeitungs- und Speicherkapazitäten in Edge-Geräten stetig anwachsen. Die historische Abhängigkeit von Rechenzentren löst sich damit langsam auf. Ähnlich der Entwicklung des „Personal Computer“ wird sie durch „Personal AI“ in lokalen embedded Systems höherer Qualität und Unabhängigkeit abgelöst. Damit entfallen die Datenaggregationskosten in das Rechenzentrum/die Cloud, die Cloud Transaktionskosten und die Angriffsvektoren aus dem Internet.

Welche Erfolgsfaktoren spielen bei der Entwicklung von Edge AI Projekten eine besondere Rolle?

Stähle: Bedeutend scheint uns der ganzheitliche Blick auf den konkreten Anwendungsfall. Im Bereich des Condition Monitorings bzw. der Predictive Maintenance ist es beispielsweise von Bedeutung, dass Sensordaten von den entscheidenden Stellen an der Maschine oder Anlage in angemessener Qualität und Zeitnähe zur Verfügung stehen. Schließlich können Machine Learning Modelle nur aus jenen Daten lernen, die während des Trainings zur Verfügung gestellt werden und im operativen Betrieb zur Verfügung stehen. Die resultierende Leistung und Qualität der Edge AI spiegelt im Betrieb den oder die Kontexte wider, in welchen die Trainingsdatensätze erfasst wurde, oder den Fokus welchen das Projektteam bei der Wahl der Sensordaten und der Stellen ihrer Erfassung hatten.

Sieber: In der Tat – diese Erfahrung haben wir ebenfalls gemacht. Es ist durchaus von entscheidender Bedeutung an ‚Hotspots‘ für Vibrationen einer Maschine oder Anlage die Vibrationssensoren anzubringen um möglichst früh und mit maximaler Präzision den tatsächlich auftretenden Mix von Schwingungen und Vibrationen zu erfassen. Insbesondere zum Schutz von hochpreisigen Maschinenteilen wie Lagern und Achsen als auch Getrieben und Antrieben ist die richtige Wahl von Vibrationssensoren und ihren Montageplätzen zur Optimierung ihrer Wartung von Bedeutung.

Welche Zukunftstrends würden Sie bei der künstlichen Intelligenz erwarten?

Stähle: Vermutlich wird es – ähnlich wie bei Rechenanlagen bzw. Computern – eine zweigleisige Entwicklung geben.

Auf der einen Seite werden gigantische „Datenkraken“ in Clouds und Rechenzentren immer komplexere Datenstrukturen, KI-Modelle und Algorithmen zur Verarbeitung der erfassten Datenmengen einsetzen und damit beispielsweise höchst spezialisierte KI-Lösungen wie AlphaFold 2 von DeepMind zur Vorhersage der Faltung von Proteinen entwickeln um wissenschaftliche Erkenntnisse voranzutreiben.

Auf der anderen Seite wird die stetig wachsende Verfügbarkeit von Rechen- und Speicherkapazität in Endgeräten für ein Voranschreiten der „Demokratisierung“ von KI sorgen: Jedes Unternehmen wird seine eigene Edge AI vor Ort an Maschinen und Anlagen in völliger Internet- und Cloud-Unabhängigkeit trainieren und einsetzen können. Hierin werden stetig mehr Signalverarbeitungs- und Deep Learning Algorithmen zum Einsatz kommen.

Der nächste große qualitative Schritt wäre vermutlich jene potenziell revolutionäre Forschung wie sie beispielsweise Prof. Christoph von der Malsburg betreibt, um noch intelligentere und optimalere KI-Datenstrukturen und Algorithmen zu finden. Diese würden anschließend auch in Edge AI sowie Rechenzentren zum Einsatz kommen.

Ferner erwarten wir auch im Bereich der Visualisierung des KI Trainings, zu dessen Überwachung und Qualitätssicherung, noch viele Optimierungen welche es erlauben werden bspw. Bias – also die Voreingenommenheit von KI-Modellen – zu erkennen sowie die mentalen Modelle der trainierten KI zu visualisieren – um auch hier strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten zur kontinuierlichen Qualitätssicherung identifizieren zu können. All dies, ganz ohne einen Hochschulabschluss in Data Science oder KI zu benötigen.

Sieber: Wir haben bereits erste Projekte erfolgreich mit PowerBrain™ auf unserem Edge Controller sysWORXX CTR-700 realisiert und wir sind erstaunt über die beeindruckenden Resultate der Edge KI. Die dafür notwendige Rechenleistung ist dabei durchaus als moderat zu bewerten. Der sysWORXX CTR-700 ist insgesamt leistungsstark genug, um neben der Edge KI gleichzeitig noch die Signalvorverarbeitung und die eigentliche Maschinensteuerung auszuführen. Ich denke, damit ist der Trend für die Zukunft vorgezeichnet: innovative Edge Controller wie der sysWORXX CTR-700 werden immer komplexere Steuerungsaufgaben übernehmen und dabei zunehmend auch multidimensionale Signaltypen wie Körperschall verarbeiten, die dank integrierter AI-Lösungen wie PowerBrain™ lokal auf einfacher auszuwertende Informationsvektoren reduziert werden.

Stähle: Apropos Vektoren: Einen weiteren fundamentalen Paradigmen-Wechsel bedeutet die Verringerung der potentiellen Angriffsvektoren auf Null. Die Edge AI Software arbeitet autark vor Ort im eingebetteten System und benötigt keinen Rückkanal ins Internet oder zu gehosteten Serverfarmen. Damit wird es unmöglich von außen Kontakt zur künstlichen Intelligenz aufzunehmen und sie zu manipulieren. Aufgrund jährlich steigender Zahlen von Cyber Kriminalität und automatisierten Angriffsversuchen ist diese Maximierung der Cyber Sicherheit ein starker Treiber unserer Endanwender. Darüber hinaus vernehmen wir das große Kundeninteresse an Datensouveränität, der Datensicherheit und dem Datenschutz.

Nach den zahllosen Veröffentlichungen und Verkäufen von höchst persönlichen sowie geheimen Daten im Darknet und ähnlichen Plattformen in den vergangenen Jahren legen die Anwender heutzutage mehr Wert auf Sicherheit. Sie wollen nicht länger ohne zwingende Notwendigkeit ihre Maschinen, Betriebs- oder Anlagendaten durch die halbe Welt transferieren.

Auch die Trainingsdaten für die künstliche Intelligenz, welche Auskunft über Betriebsarten von Anlagen, ihre Zustände oder bspw. Produktionskapazitäten geben könnten, werden von Anwendern kaum mehr unhinterfragt an beliebigen Orten der Welt in Cloud Servern abgespeichert und verarbeitet. Vielmehr verändert sich auch hier das Paradigma aufgrund der stetig günstigeren und großvolumigeren Speicher und Speicherkarten vor Ort in embedded Systemen. Dies steigert den Grad der Autarkie der Anwender und ihrer Maschinenparks, bei gleichzeitiger Kostensenkung und Verringerung der Abhängigkeiten.

Im Grunde ist Edge AI daher eine revolutionäre Veränderung der Implementierung und des Betriebes künstlicher Intelligenz. Die Entwicklung sehe ich ähnlich jener Revolution die einst mit der Erfindung und Markteinführung von erschwinglichen persönlichen Computern (PC) für einzelne Haushalte und Unternehmen in den 1970’er Jahren einher ging. Die Tage von übergroßen Rechenzentren waren gezählt. Wer erinnert sich heute noch an den Satz, der Thomas J. Watson, dem einstigen Vorstandsvorsitzenden der Firma IBM, zugeschrieben wurde: „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird."?
Was aus diesen zentralisierten Großrechnersystemen hervorging, sind heutzutage ungleich flexiblere, zuverlässigere, autarkere und kostengünstigere Systeme mit deutlich größerer Stabilität. Dies wird ermöglicht durch Dezentralisierung und ‚Demokratisierung‘, durch eine viel größere Quantität von Informationstechnologie.

Die Fortsetzung dieser Entwicklung werden wir alle im Segment der künstlichen Intelligenz ebenfalls beobachten – und uns an viel sichererer Edge AI in unserem beruflichen wie privaten Alltag erfreuen. Zudem wird sie zukünftig viel erschwinglicher sein. Bereits heute können beispielsweise die Kunden unseres AI PowerBrain.Shop® binnen Minuten eigene Edge AI PowerBrains™ für diverse Endgeräte, embedded Systeme und Hardware Plattformen erstellen und nutzen. Sie profitieren bequem und kostengünstig von diesem natürlichen Entwicklungstrend.

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Über unseren Partner: POWERBRAINSHOP Holding Corporation

PowerBrain.Shop® ist ein wachsender KI Software-Lieferant mit globaler Aufstellung, welcher eine KI Produktentwicklungs- und Trainings-Plattform für die nächste Generation von Künstlicher Intelligenz sowie leistungsfähige KI Software 'Gehirne' entwickelt – sogenannte AI PowerBrains™. Das Unmögliche wird möglich gemacht indem der nächste disruptive Entwicklungsschritt – die Breitenanwendung von Internet-unabhängiger Edge AI – samt Entwicklung, Training, Validierung und Qualitätssicherung, Auslieferung, Überwachung und Auditierung der künstlichen Intelligenz für Anwender und Anwendungsfälle in unterschiedlichen Industrien, Geschäftsbereichen und Organisationen ermöglicht und erheblich vereinfacht wird. Als treibende Kraft im Segment der künstlichen Intelligenz sind wir Partner all jener, die unsere Welt mit Intelligenz effizienter machen wollen.

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